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Neuer Stellenplan für das Erzbistum Bamberg

Erzbischof Dr. Ludwig Schick Bamberg Porträt
Datum:
Veröffentlicht: 29.11.16
Von:
Gahlau Christoph

Ein Blick in die Zukunft

Erzbischof Ludwig Schick spricht mit Christoph Gahlau vom Heinrichsblatt über die Entwicklungen in den Seelsorgebereichen, im pastoralen Personal und über die neue Stabsstelle "Diözesane Entwicklungen".

Neuer Stellenplan für das Erzbistum Bamberg

Frage: Herr Erzbischof, vor rund zehn Jahren wurden die ersten Seelsorgebereiche geschaffen. Hat sich das bewährt?

Erzbischof Schick: Zum großen Teil hat es sich bewährt. Die Zusammenarbeit ist gewachsen, zum Beispiel bei den Erstkommunion- oder Firmvorbereitungen. Es gibt auch gemeinsame Ministrantenarbeit, Seniorentreffs oder Wallfahrten. Manche Seelsorgebereiche haben auch ein differenziertes Gottesdienstangebot erarbeitet. Es gibt auch bereits gut funktionierende Seelsorgebereichsräte, die die Pfarrgemeinderäte in sich vereint haben. Manche Seelsorgebereiche haben sich sehr gut entwickelt. In anderen ist noch nicht viel geschehen. Wir müssen jetzt sehen, wie wir diese fördern können.

Frage: Das war der Blick in die Vergangenheit. Werfen wir doch einmal einen Blick in die Zukunft. Sie haben in den vergangenen Monaten den neuen Stellenplan für die Jahre 2017 bis 2022 entworfen. Was sind die Kernpunkte dieses neuen Stellenplans.

Erzbischof Schick: Wir sind weniger Katholiken und wir werden auch weniger Priester und pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. In den nächsten fünf Jahren werden wir mit dem hauptamtlichen Personal noch ganz gut hinkommen. Aber wir müssen in den Jahren 2017 bis 2022 einiges strukturell ändern. Das Personal, das wir haben, muss so in den Seelsorgebereichen eingesetzt werden, dass die Gläubigen als Gemeinschaft der Kirche gut leben können; Verkündigung und gottesdienstliches Leben, Gemeinschaft und Caritas sollen zukunftsfähig gestaltet werden.

Frage: Sie haben angesprochen, dass es weniger Priester gibt, auch weniger pastorales Personal. Was heißt das konkret für den Stellenplan 2017 bis 2022. Mit wieviel weniger Personal muss man denn in etwa auskommen?

Erzbischof Schick: Wir werden mit ca. zwölf Prozent Personal weniger auskommen müssen, das wir so verteilen wollen, dass für alle territorialen und kategorialen Bereiche genügend Hauptamtliche vorhanden sind. Wichtig ist mir, dass die Priester und die pastoralen Mitarbeiter sich vor allen Dingen dafür engagieren, dass die ganze Kirche lebendiger und aktiver wird. Das, was Romano Guardini schon vor ca. 60/70 Jahren so formuliert hat – „Die Kirche erwacht in den Seelen der Menschen“ –, müssen wir erreichen. Es war auch ein ganz wichtiges Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils, die ganze Kirche in allen Gläubigen zu Trägerinnen und Trägern der Evangelisierung, des Gebets und der Gottesdienste sowie der Gemeinschaft und der Caritas zu machen. Die Hauptamtlichen sollen dafür die Gläubigen inspirieren, moderieren und integrieren. Auf dieses Ziel müssen wir zuarbeiten, das soll die eigentliche Kernaufgabe in den folgenden Jahren sein.

Frage: Ich muss noch einmal auf die Struktur zurückkommen. Es gibt jetzt Seelsorgebereiche, die sind noch verhältnismäßig gut mit pastoralem Personal ausgestattet, werden aber vermutlich im nächsten Stellenplan über weniger Stellen verfügen. Wie stringent wird dieser Stellenplan umgesetzt. Ein Beispiel: Ein Seelsorgebereich hat momentan 3,5 Stellen für pastorales Personal und künftig nur noch zwei Stellen. Wie wollen Sie da vorgehen?

Erzbischof Schick: Solche starke Kürzungen werden die Ausnahme sein. Die Veränderungen werden unterschiedlich erfolgen und auch erfolgen müssen. Priester oder auch Pastoral- oder Gemeindereferent/Innen sind auf ihren Stellen und müssen aus verschiedenen Gründen auch dort bleiben, z. B. aus Altersgründen – nach dem 60. Lebensjahr wird normalerweise niemand mehr versetzt; oder auch aus familiären Gründen bei pastoralen Mitarbeitern. Wir möchten die Versetzungen so gestalten, dass wir auch dem Einzelnen immer gerecht werden, soweit es geht. Das dürfte in den kommenden fünf Jahren auch möglich sein. Natürlich brauchen wir immer die Bereitschaft von denen, die versetzbar sind, dass sie dorthin gehen, wo es notwendig ist. Wir haben auch festgestellt, dass in den Städten weniger Personal nötig ist als auf dem Land. In der Stadt sind die Menschen mobiler; es gibt viele öffentliche Verkehrsmittel. Das ist auf dem Land anders. Deshalb haben wir den Flächenfaktor verstärkt, so dass im neuen Stellenplan bei der Personalzuweisung die ländlichen Regionen gegenüber den Städten etwas bevorzugt werden.

Frage: Ich kann mir vorstellen, wenn man so einen Stellenplan erstellt, vor allem wenn es weniger wird, dann ist das ein Hauen und Stechen. Wer war an der Erstellung des Stellenplans beteiligt?

Erzbischof Schick: Ein Hauen und Stechen gab es nicht! Unser Entscheidungsorgan ist die Ordinariatskonferenz. Diese lässt ihre Entscheidungen vorbereiten. Es gab ein Team, das bestand aus Vertretern des Seelsorgeamtes und der Abteilung pastorales Personal, Generalvikar und die Personalkommission, aber auch Pfarrer und andere aus dem Erzbistum waren einbezogen. Diese haben den Plan erstellt und alles abgewogen, was zu bedenken war und ihn vorgelegt; die Ordinariatskonferenz hat ihn dann beschlossen.

Frage: Sie haben vorhin schon einmal gesagt, die Hauptamtlichen sollen in Zukunft mehr inspirieren. Sie sprechen gerne von inspirieren, moderieren, integrieren. Was heißt das für die Gläubigen vor Ort, die getauft und gefirmt sind? Ist eine Stärkung der Christen vor Ort notwendig?

Erzbischof Schick: Das ist Plan und Ziel. Kirche ist nicht eine Serviceanstalt von Hauptamtlichen für die Anderen. Kirche definiert sich als Gemeinschaft, in der es verschiedene Dienste und Aufgaben gibt und in der jeder mittun soll. Jeder Getaufte ist Kirche, Glied am Leib Christi, Teil des Volkes Gottes! Die Hauptamtlichen sind dazu da, Gemeinschaft zu bilden und jedem Einzelnen zu helfen, dass er seine Charismen und Begabungen entdeckt und einbringt. Dann muss man sehen, dass jeder mit seinen Charismen und Begabungen auch den richtigen Ort findet, wo er zum Wohl der anderen wirken kann. So lebt Kirche, so freut man sich, dass man Christ ist, lobt Gott und spürt, dass der Glaube dem Leben einen Mehrwert gibt, in schönen Tagen tiefe dankbare Freude, Kraft und Trost in schweren Zeiten. So soll Kirche sein: Jeder für jeden mit den Gaben, die er bekommen hat sowie zum Heil und Frieden für die ganze Menschheit und Schöpfung.

Frage: Sie haben vorhin den gemeinsamen Glauben angesprochen. Der Mittelpunkt des Glaubens ist die Eucharistiefeier. Doch es gibt immer weniger Priester, die der Eucharistiefeier vorstehen können. Wie können Sie sicherstellen, dass die Gläubigen, weiterhin eine Eucharistiefeier am Sonntag besuchen können?

Erzbischof Schick: Zwei Dinge sind dazu nötig! Aber zuvor noch eine Bemerkung: Die Eucharistie ist das Zentrum der Kirche und jeder kirchlichen Gemeinschaft. Ein Zentrum gibt es nur, wenn auch noch etwas drum herum ist. Von daher haben wir immer auch andere Gottesdienste gefeiert, von denen wir sagen, dass sie Ausfluss der Eucharistie und Hinführung zur Eucharistie sind. Urs von Balthasar, ein berühmter Theologe, hat das so ausgedrückt: Die Eucharistie ist Zentrum, von dem es Ausfaltungen, zum Beispiel Laudes, Vesper, Andachten, Wort-Gottes-Feiern, und Einfaltungen gibt, wiederum diese anderen Gottesdienste. Wir stärken die Eucharistie, wenn wir auch das Gebets- und Gottesdienstleben insgesamt stärken. Nun konkreter: Wir können in den nächsten fünf Jahren – auch auf dem Land – genügend Eucharistiefeiern an den Sonntagen anbieten, zu denen alle hinkommen können. Wenn am Sonntag die heilige Messe nicht gefeiert werden kann, weil kein Priester da ist, dann soll eine Wort-Gottes-Feier gehalten werden. Dazu müssen wir auch noch einmal darüber nachdenken, wie viele Eucharistiefeiern wirklich sinnvoll und nötig sind. Wir haben insgesamt noch viele – nicht überall in gleicher Weise. Wir müssen darüber nachdenken, wo und wann wir eine heilige Messe feiern und einen Gesamtplan der Sonntagseucharistiefeiern für jeden Seelsorgebereich und die ganze Erzdiözese aufstellen. Wir müssen mehr in den Seelsorgebereichen denken und planen. Das andere ist: Wir müssen mobiler werden. Ich habe schon im Jahr 2000 gesagt, der Christ des 21. Jahrhunderts muss von fünf „Bs“ gekennzeichnet sein: Er muss biblisch sein, bewusst leben, Begeisterung ausstrahlen, ein betender Mensch sein und beweglicher werden. Wir sind sonst auch mobiler geworden und müssen es in allen Bereichen sein, ob für den Arbeitsplatz, die Schule, den Arzt und die Bank. Das gilt auch für unser Christensein. Für die Eucharistiefeier am Sonntag darf man auch ruhig ein paar Kilometer fahren. Nicht zuletzt muss die Wertschätzung der Eucharistiefeier verstärkt und der priesterliche Dienst mehr geachtet werden.

Frage: Kardinal Karl Lehmann, der frühere Bischof von Mainz, hat kurz vor seiner Emeritierung gesagt, er halte nichts von XXL-Großgemeinden. Gerade auf dem Land ist das Bedürfnis groß, dass am Sonntag im Dorf ein Gottesdienst gefeiert werden müsse. Wenn man da Kürzungen vornehmen will, dann kommt es oft zu „kleinen Revolutionen“. Das ist genau die Schwierigkeit, auf der einen Seite beweglich zu sein, auf der anderen Seite aber ein Angebot zu machen, dass sich auch noch eine Gemeinschaft bilden kann. Das ist für viele Dörfer identitätsstiftend. Sehen Sie das auch so?

Erzbischof Schick: Ich habe immer gesagt, wir wollen die Kirche im Dorf lassen. Aber es gehört genauso dazu, dass man über den eigenen Kirchturm hinausschaut. Wer nur im eigenen Saft kocht, verkocht. Allzu kleine Gemeinden sind nicht lebendig - das haben wir schon früher gewusst. Man darf auch die Vergangenheit nicht rosarot malen: Als früher in fast jedem kleinen Ort ein Pfarrer war und man sich, auch kirchlich, nur in seinem kleinen Ort bewegte, war das auch nicht immer der Idealfall des Christentums. Von daher ist eine Öffnung gut und zukunftsträchtig. Für jüngere Leute sind weitere Räume auch immer weniger ein Problem. Auf der anderen Seite ist Beheimatung wichtig. Es wird in den Seelsorgebereichen Eucharistiefeiern am Sonntag zu verschiedenen Zeiten geben, zum Beispiel am Vorabend oder sonntags früh, mittags oder am Sonntagabend. Dazu muss man im Seelsorgebereich eventuell auch in den Nachbarort fahren. Beheimatung wird bleiben, aber auch mehr in den Seelsorgebereichen stattfinden. Auch für die Werktage sollte eine Gottesdienstordnung erstellt werden. Unsere Kirchen und Kapellen müssen durchbetete Räume bleiben. Die Eucharistie muss Zentrum der Kirche bleiben, aus ihr entsteht und lebt die Kirche. Dazu müssen aber auch andere Gottesdienste kommen und ein gutes Gemeinschaftsleben auf allen Ebenen.

Frage: Sie haben zum 1. Januar eine neue Stabsstelle eingerichtet: Diözesane Entwicklung. Was verbirgt sich hinter dieser neuen Stabsstelle?

Erzbischof Schick: Sie soll Entwicklung auf Zukunft hin bedenken und organisieren, z. B. indem sie hilft, die Pfarrer und das gesamte pastorale Personal von Verwaltungsaufgaben zu entlasten; das bedeutet, dass für mehrere Kindergärten ein hauptamtlicher Verwaltungsleiter angestellt wird. Er soll die Gebäude betreuen, Verantwortung für das Personal übernehmen und für die Finanzen verantwortlich sein.

Ein zweiter Bereich ist die Entwicklung der zentralen Pfarrbüros. Wir möchten, dass immer, wenn jemand anruft, er jemand an der Leitung hat. Das ist nur möglich, wenn die Pfarrbüros vernetzt werden; wenn in einem Pfarrbüro niemand da ist, dann eben im anderen Pfarrbüro. Wir möchten in den Seelsorgebereichen das „zentrale Pfarrbüro“ installieren, ohne dass die einzelnen Standorte aufgegeben werden müssen. Wichtig ist uns auch die Konzentration der Sekretariatsarbeit, zum Beispiel das zentrale Führen von Taufbüchern und Ehematrikeln. Natürlich sollen auch die Seelsorgebereiche in der eigentlichen Pastoral noch mehr miteinander kooperieren; auch dazu ist für Entwicklung noch Luft nach oben.

Frage: Sie haben jetzt viele Aufgaben genannt, die im Verwaltungsbereich angesiedelt sind. Inwieweit hat diese neue Stabsstelle auch Kompetenzen bei der Entwicklung mit Personal? Wie kann Pastoral 2030 aussehen? Gibt es da Überlegungen, dass man diese Fragen in dieser Stabsstelle ansiedelt?

Erzbischof Schick: Für die Personalgewinnung und -betreuung haben wir andere Abteilungen und Referate im Ordinariat. Mehr haupt- und ehrenamtliches Personal wird es dann geben, wenn die Kirche insgesamt wächst. Die Zahl der Christen nimmt weltweit zu: in Deutschland werden wir aber aufgrund der Demographie und auch der Entkirchlichung derzeit weniger Christen. Es ist wichtig, auf drei Ebenen zu werben: Wir müssen zuerst auf der Basisebene werben, das heißt evangelisieren, alles tun, dass es neue Christen gibt, dass die Kirche wächst. Wir sind oft allzu schnell dabei, die kleine Herde zu beschwören. Der Herr hat uns aufgetragen, „alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen“ (vgl. Mt 28,19), so lautet der Sendungsbefehl Jesu vor der Himmelfahrt. Ich bin überzeugt, dass die Chancen, neue Christen zu gewinnen, im Moment gar nicht so schlecht stehen. Viele Menschen fragen sich: Wie soll es denn weitergehen in unserer globalen Welt? Wie können wir Frieden finden? Wie kann es Gerechtigkeit geben? Wie können wir die Schöpfung bewahren? Wie können wir die Menschenwürde und Menschenrechte garantieren? Wie ist Gott und was will er von uns? Das Christentum hat die besten Antworten auf diese Fragen. Viele Menschen nähern sich ihm. Noch einmal: Weltweit wächst die Kirche, wächst das Christentum. Auch in Deutschland haben wir Chancen. Im Seelsorgeamt, in der Erwachsenenbildung und in der Schulabteilung müssen wir Evangelisierung und Mission, Katechese und religiöse Bildung zu Topthemen machen. Dann ist es natürlich auch nötig, dass wir beim hauptamtlichen Personal wachsen. Wir müssen beten und werben, dass wir Priester und Ordenschristen, pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, hauptamtliche Diakone und Religionslehrer/Innen bekommen. Wir haben dazu das Referat „Geistliche und kirchliche Berufe“. Jeder Hauptamtliche sollte aber für seinen Beruf selbst werben. Ein zufriedener und engagierter Priester, Ordenschrist, pastoraler Mitarbeiter ist die beste Werbung. Nicht zuletzt ist es wichtig, dass wir in der Vernetzung mit der Weltkirche wachsen, dass wir katholischer, also weltumspannender werden, weil das unserer Kirche hier auch neue Kraft und neuen Wind geben kann für das Wachsen der Kirche auf allen Ebenen bei uns.

Frage: Wie wird denn die neue Stabsstelle personell ausgestattet. Es muss ja auch jemand da sein, der diese Arbeit macht?

Erzbischof Schick: Wir haben einen Domkapitular dafür freigestellt und der wird natürlich ein Sekretariat haben. Dann wird er auch Mitarbeiter/Innen haben, die ihm bei jedem Projekt und jeder Initiative helfen. Ein Beispiel: Für die Einstellung von hauptamtlichen Verwaltungsleitern für die Kindergärten benötigen wir die Rechtsabteilung und die Personalabteilung. Das ist auch schon besprochen und von der Ordinariatskonferenz in vielen Diskussionen beschlossen. Für das zentrale Pfarrbüro sind ähnliche Vorgehensweisen nötig. Die Verantwortlichen vor Ort müssen immer einbezogen werden.

Frage: Was ist denn Ihrer Meinung nach nötig, damit junge Menschen sagen, Kirche ist nicht verstaubt, sondern Lust haben mitzuarbeiten?

Erzbischof Schick: Ich glaube, die Kirche in Deutschland muss wieder Vertrauen gewinnen, indem sie die Menschen auf ihrem Lebensweg begleitet, bei der Taufe, der Firmung, der Eheschließung und im Leben der Familie oder auch bei Krankheit und am Lebensende. Wenn die Kirche von den Menschen als hilfreich gesehen wird, dann werden sich auch wieder junge Menschen für sie interessieren. Die Kirche muss als Gemeinschaft erfahren werden, die dem Leben einen Mehrwert gibt. Wenn das wieder mehr durchkommt, dann wird es auch mehr Berufungen geben. Also erst einmal insgesamt die Gläubigen und die Freude am Glauben stärken, dann wird es auch wieder mehr Berufungen für die pastoralen Berufe geben. Für junge Menschen ist es auch wichtig, mitarbeiten zu können – Ministrant/Innen, Eine-Welt-Initiativen, die Jugendgruppen und Vereine sind gute Möglichkeiten, sie zum kirchlichen Leben zu führen.

Frage: Haben Sie eine Vision, wie das passieren könnte?

Erzbischof Schick: Ja! Alle Katholiken, besonders die Priester, pastoralen Mitarbeiter/Innen und Lehrer müssen nah bei den Menschen sein und an ihrem Leben teilnehmen, gute Begleiter und gute Zuhörer sein. Aus den Tiefen des Glaubens, des christlichen Lebens und der Spiritualität sollen sie Hilfestellungen fürs Leben geben. Die Kirche ist besonders gefragt, nah bei den Menschen zu sein, die es nicht so leicht im Leben haben. Wenn sie da gut mitgeht und als hilfreich erfahren wird, dann wird sie auch wieder Vertrauen gewinnen und wird interessant werden und dann werden auch junge Menschen wieder mehr mitarbeiten.

Frage: Ich möchte auf eine Aussage von Ihnen in diesem Interview zurückkommen. Sie haben gesagt, ab 2022 müssen wir überlegen, wie wir uns strukturell neu aufstellen. Gibt es schon konkrete Überlegungen, wie das aussehen könnte?

Erzbischof Schick: Ja! Die erste Strukturreform ist nun zwölf Jahre her. Damals habe ich gesagt, wir möchten die notwendigen Veränderungen mit den Menschen vor Ort durchführen. Wir haben damals bei der Bildung der Seelsorgebereiche Vorgaben gemacht und gesagt, die Menschen vor Ort sollen sich zusammensetzen und mit den Vorgaben der Bistumsleitung ihre Kooperationsvereinbarungen treffen; es war wichtig, dass sich die Hauptamtlichen, also die Pfarrer, die Priester, die Diakone, die pastoralen Mitarbeiter/Innen mit den Pfarrgemeinderäten und den Kirchenverwaltungen zusammengesetzt haben. Diese haben dann die Seelsorgebereiche gebildet und Kooperationsverträge geschlossen. Einen solchen Prozess stelle ich mir für die nächsten fünf Jahre, also von 2017 bis 2022, wieder vor. Die Verantwortlichen vor Ort sollen sich zusammensetzen und sich fragen: Wie müssen wir uns jetzt angesichts der neuen Gegebenheiten aufstellen? Das Ordinariat wird dazu wieder die nötigen Vorgaben machen.

Frage: Im Nachbarbistum, in Würzburg, denkt man darüber nach, aus den bisher 620 Pfarreien, die es insgesamt gibt, etwa 40 Großpfarreien zu bilden mit im Schnitt etwa 15000 bis 160000 Katholiken. Geht das dann auch in diese Richtung oder sind wir in Bamberg in einer besseren Lage?

Erzbischof Schick: Wir sind nicht unbedingt in einer besseren Lage. Aber wir wollen Einheiten bilden, die nicht XXL sind, sondern wo Menschen sich begegnen und sich auch kennen, ihr Leben teilen und miteinander feiern können. Es soll Gemeinschaft und Heimat empfunden werden. Diese Lebenseinheiten sollten in größeren Einheiten zusammengefasst werden. Nicht jede kleinere Einheit muss beispielsweise eine professionelle Kommunion- oder Firmvorbereitung machen, auch nicht einen eigenen Pfarrer haben, aber einen Ansprechpartner und nicht das ganze gottesdienstliche Leben im Ort haben. Es soll nach dem Prinzip der Subsidiarität gearbeitet werden. Was vor Ort gemacht werden kann, das wird da gemacht. Was dann eine größere Einheit sinnvollerweise übernimmt, das soll in der größeren Einheit erledigt werden. So stelle ich mir das vor. Also Gemeinschaft aus Gemeinschaften. Wir wollen keine Vorgaben machen nach dem Motto: Ihr 16000 bildet eine Gemeinde nach einem einheitlichen Muster, das das Ordinariat vorgibt. Das will ich nicht, weil es nicht kirchlich ist und nicht gut geht.

Frage: Momentan bestehen im Erzbistum Bamberg 95 Seelsorgebereiche. Auf wie viele Seelsorgebereiche wird man denn reduzieren müssen? Gibt es da schon Überlegungen?

Erzbischof Schick: Das Spiel mit Zahlen wird immer wieder mal gemacht. Ich möchte das diesem Prozess überlassen. Der Prozess in den Jahren 2004 bis 2006 ist ganz gut gelungen. Ich habe das Vertrauen, dass das dieses Mal, zwischen 2017 und 2022, auch so wird. Wie viele Seelsorgebereiche dann wirklich dabei herauskommen und mit welchen Zuschnitten, das weiß ich noch nicht. Das wird unterschiedlich sein. Wir haben die Großraumregion Nürnberg-Fürth-Erlangen, die ist anders als der Frankenwald oder die Diasporazone von Ansbach bis Rothenburg ob der Tauber. Da vertraue ich auf die Dynamik der Christen vor Ort und auf den Heiligen Geist. Ich will, dass die Leute empfinden: das ist meine Kirche, ich bin Kirche, ich kann mitreden und mittun.

Frage: Welche Vision haben Sie von der Kirche 2030?

Erzbischof Schick: Bei Visionen bin ich zurückhaltend! Jesus Christus ist der Herr der Kirche; er führt sie durch die Zeit in die Ewigkeit. Die Form der Kirche wird sich sicher wandeln. Das ist auch nichts Neues, das war schon immer so; nur was sich wandelt bleibt. Aber die Kirche wird im Kern die Kirche Jesu Christi sein und bleiben. Kirche besteht in Gemeinschaften, in denen sich die Menschen als Christen beheimatet fühlen. Diese bilden Diözesen und diese die Weltkirche. In den Gemeinschaften wird auch im Jahr 2030 die Kirche das Wort Gottes verkünden und weitergeben, die Gläubigen werden sich an der Frohen Botschaft des Evangeliums freuen, Sinn, Friede und Freude daraus schöpfen. Die Kirche im Jahr 2030 wird Gottesdienste feiern mit dem Zentrum der Eucharistiefeier. Die Menschen in der Kirche werden erfahren, dass sie nie und nirgends allein sind, dass sie mit Gott und seinem Segen leben können. Es wird eine Gemeinschaft sein, die sich derer annimmt, die ihr Leben nicht selbst meistern können, vor allem der Kleinen, der Kinder und Jugendlichen, der Kranken und der Menschen mit Behinderung, der Flüchtlinge und der Armen hier und in den Entwicklungsländern. Die Kirche wird eine inklusive Gemeinschaft sein. Es wird eine Gemeinschaft sein, die noch katholischer wird, die weltweit denkt und alle Menschen in ihr Beten und ihre Solidarität einschließt. Das wird nötig sein, um die Schöpfung zu bewahren, Gerechtigkeit, Frieden und Wohlergehen für alle zu finden. Die Grundsäulen – Verkündigung, Gottesdienst und caritative Gemeinschaft – werden bleiben. Es werden die überschaubaren Gemeinschaften bleiben, in denen die Gläubigen vor Ort Heimat findet. Diese werden aber mehr Kommunikation mit den Nachbarn pflegen und ebenso mit der ganzen weiten Welt. Die Christen werden ökumenisch mehr Einheit pflegen und auch der interreligiöse Dialog wird tiefer und lebendiger werden um Gottes und der Menschen willen. Das ist mein Glaube und meine Hoffnung: Eine, heilige, katholische und apostolische Kirche in Gemeinden vor Ort, die in großer Offenheit und Kommunikation im Bistum und mit den Christen weltweit leben. Die Kirche wird 2030 lebendig und aktiv sein, da bin ich mir sicher.

von Christoph Gahlau